71% geht Energiewende nicht schnell genug

Energiewende: Deutsche fordern Tempo

Bild: Bitkom Research 2022

Acht von zehn Menschen in Deutschland (79%) wollen bewusst weniger Energie verbrauchen, um einen aktiven Beitrag zur Energiewende zu leisten. Allerdings fehlen vielen von ihnen die dazu nötigen Informationen. Das sind die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung im Auftrag des Digitalverbands Bitkom unter 1.002 Menschen in Deutschland ab 18 Jahren. Die Befragung wurde von Januar bis Mitte Februar 2022 durchgeführt – also unmittelbar vor der russischen Invasion der Ukraine. So wünschen sich 71% mehr Transparenz zum Stromverbrauch von einzelnen Geräten und 69% präzisere und leichter zugängliche Informationen über ihren Stromverbrauch insgesamt. 40% der Menschen in Deutschland wissen zudem nicht, wie hoch der Verbrauch ihres Haushaltsstroms pro Jahr überhaupt ist und 30% können nicht die Höhe ihrer monatlichen Abschlagszahlung beziffern. „Die Menschen in Deutschland wollen die Energiewende aktiv unterstützen. Durch den Krieg in der Ukraine sind viele Menschen zusätzlich sensibilisiert, Energie einzusparen, um unabhängiger von russischen Öl- und Gasimporten zu werden. Jetzt geht es um Information, praktische Hilfestellung und finanzielle Anreize“, kommentiert Matthias Hartmann, Mitglied des Bitkom-Präsidiums.

Mehr als die Hälfte will Smart Meter

Mittlerweile interessiert sich mehr als die Hälfte der Deutschen (57%) für Smart Meter, also digitale, internetfähige Messgeräte für Wärme oder Strom, die den Verbrauch automatisch an die Anbieter übertragen. 20% können sich die Nutzung auf jeden Fall vorstellen, weitere 37% können sich dies eher vorstellen. Zu Beginn der Markteinführung im Januar 2020 hatten sich erst 36% der Menschen in Deutschland offen gegenüber dieser Technologie gezeigt. Ihr Einbau ist aktuell für Haushalte mit einem hohen Stromverbrauch von mehr als 6000kWh/Jahr vorgeschrieben. Auch der Bekanntheitsgrad von Smart Metern ist in den vergangenen zwei Jahren gestiegen: 33% haben noch nie davon gehört oder gelesen. Im Januar 2020 konnten noch 42% nichts mit der Technologie anfangen. „Smart Meter bringen Intelligenz in die Netze und sind zentral für eine erfolgreiche Energiewende“, betont Hartmann. „Deutschland muss schnell Anreize schaffen, um den Rollout zu beschleunigen, etwa durch Förderprogramme, weniger Bürokratie, kosteneffiziente Lösungen und realitätsnahe technische Standards.“ Konkret interessiert sich eine Mehrheit von 65% der Deutschen für die Verbräuche einzelner Geräte in ihrem Haushalt, um so Stromfresser identifizieren zu können. 60% hätten gerne auf ihr persönliches Verhalten ausgerichtete Informationen, wie sie direkt Strom sparen können. Mehr als die Hälfte (54%) ist am CO2-Ausstoß interessiert, der aus dem eigenen Verbrauch resultiert.

Bild: Bitkom Research 2022

Label für energieeffiziente Heizung

Auch beim Thema Heizen wünschen sich die Menschen in Deutschland mehr Transparenz. So würden drei Viertel (75%) ein Siegel oder Label begrüßen, das zeigt, ob die eigene Heizung energieeffizient ist. 68% wünschen sich intelligente Zähler, die in Echtzeit anzeigen, wie viel Energie die Heizung gerade verbraucht. 59% können sich außerdem vorstellen, ihre Verbrauchsdaten anonymisiert dem Ersteller der Heizkostenabrechnung zu übermitteln. „Insbesondere beim Thema Heizen könnten wir mit einer konsequenten Digitalisierung den Energieverbrauch massiv senken und die Energieeffizienz steigern. Heizungen gehören zu den größten CO2-Emittenten in Deutschland“, sagt Bitkom-Präsidiumsmitglied Matthias Hartmann. „Schon die im Klimaschutzgesetz formulierten Einsparziele für das Jahr 2020 wurden seitens des Gebäudesektors nicht erfüllt. Aktuelle Abschätzungen zeigen, dass die Ziele auch 2021 verfehlt wurden. Um Energie zu sparen, brauchen wir nicht nur die klassische energetische Sanierung, sondern vor allem eine smarte Steuerung von Heizungsanlagen – in Gewerbeimmobilien ebenso wie in Privathaushalten. Wir brauchen eine digitale Renovierungswelle.“

Viele Menschen teilen diese Ansicht. So meinen 65% der Deutschen, alte Gebäude sollten, wenn möglich, mithilfe digitaler Technologien effizienter gemacht werden. Ein Viertel (28%) würde mehr Miete für eine Wohnung bezahlen, wenn sie mit energiesparenden Smart-Home-Anwendungen ausgestattet ist. In vielen Haushalten sind entsprechende Tools und Anwendungen schon eingebaut: Fast ein Fünftel (18%) nutzt smarte Heizkörper und Thermostate, die in der Lage sind, die Temperatur in der Wohnung immer optimal anzupassen – z.B. abhängig davon, ob gerade gelüftet wird, ob Personen anwesend sind und teilweise sogar unter Berücksichtigung der Wettervorhersage. 16% haben intelligente Rollläden oder Markisen. Jeder und jede Zehnte (10%) nutzt elektronische Verbrauchszähler oder Energiemonitore, die helfen, den Energieverbrauch im eigenen Zuhause zu erfassen.

Große Mehrheit unterstützt Energiewende

Grundsätzlich unterstützt die Mehrheit der Menschen in Deutschland die Energiewende und hält den Umstieg von fossilen Energieträgern wie Öl und Gas sowie Atomenergie hin zu Wind- oder Sonnenenergie für richtig (81%). Vielen Bürgerinnen und Bürgern geht die Energiewende jedoch nicht schnell genug. 71% bewerten das Tempo als zu langsam, wobei es 45% als viel zu langsam und 26% als eher zu langsam ansehen. Lediglich für ein Fünftel (19%) ist das Tempo genau richtig. Der Anteil derer, denen die Energiewende zu schnell geht, ist mit 6% verschwindend gering. „Die Energiewende hat drastisch an Bedeutung gewonnen: Der Ausbau erneuerbarer Energien und vor allem die Energieeffizienz müssen jetzt stark vorangetrieben werden“, sagt Hartmann. 72% der Deutschen stimmen der Aussage zu, die Energiewende werde ohne digitale Technologien nicht zu bewältigen sein. 69% sehen in digitalen Stromnetzen die Grundlage für die Energieversorgung der Zukunft. Gleichwohl besteht bei den Menschen in Deutschland auch die Angst, dass das Stromnetz anfällig für Cyberattacken sein könnte. Zwei Drittel (68%) machen sich Sorgen, dass Hacker ein digitalisiertes Stromnetz lahmlegen könnten. Deutlich geringer ist die Sorge, dass ein Blackout generell durch den Umstieg auf erneuerbare Energien geschehen könnte – etwa an Tagen ohne Sonnenschein und Wind (33%).

Mehr Tempo bei Smart-Meter-Ausbau

Um die Energiewende schnell voranzutreiben, wünscht sich eine breite Mehrheit von 86% der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger mehr Informationen zum Energiesparen. 60% fordern die Beschleunigung des Smart-Meter-Ausbaus in Deutschland. Fast die Hälfte (48%) findet, energiesparende Smart-Home-Technologien müssten stärker staatlich gefördert werden. Bitkom-Präsidiumsmitglied Hartmann: „Bund und Länder sollten den großen Zuspruch für die Energiewende nutzen und den Ausbau der Erneuerbaren schnell vorantreiben.“

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