Interview Elektromarken. Starke Partner.

Können ausländische Fachkräfte aus dem EU-Ausland das Problem Fachkräftemangel lösen?

Sell: Das muss man differenziert betrachten. Im privaten Wohnungsbau, wo direkter Kundenkontakt besteht, halte ich es für schwierig. Wenn es um größere gewerbliche Gebäude wie Hotels oder Industriebetriebe geht, könnte ich mir das gut vorstellen. In Middle East nennen sie diese Leute die ‚Helpers‘. Das sind dann Inder oder Pakistani, die die einfachen Vorarbeiten machen. Bei Privatkundschaft ist es eher schwierig, Handwerker auf die Baustelle oder eben ins Gewerk zu schicken, die keine oder schlechte Deutschkenntnisse haben und nicht so qualifiziert sind.

Dehn: Im Zweckbau, wo es um große Projekte geht, sind es vor allem Subunternehmer, die ausländische Arbeitskräfte haben. Das ist schon gelebte Praxis, wenn Sie auf eine große Baustelle gehen. Im kleinen Bereich – denken Sie nur an das Schlafzimmer von Herrn Sell – werden Spezialisten benötigt.

Wo sehen Sie noch Lösungsansätze, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken?

Dehn: Die handwerkliche Nachwuchs- und Fachkräftesicherung gelingt nur, wenn wir es schaffen, zu vermitteln, wie attraktiv die Berufe im E-Handwerk sind. Hier gibt es tolle Berufe mit hohem Zukunftspotential.

Sell: Da kann ich Herrn Dr. Dehn nur zustimmen. Die Hauptaufgabe liegt darin, dies richtig zu vermitteln. Im Bereich Ausbildungsmarketing gibt es zahlreiche Aktivitäten des ZVEH. Wir können als Industrie dazu beitragen, indem wir interessante technische Neuheiten auf den Markt bringen. Aber das Thema Nachwuchsgewinnung ist primäre Aufgabe des Handwerks selbst. Die Industrie kann da nur unterstützend wirken.

Das Produkt der Zukunft wird mehr eine Dienstleistung sein. Der Kunde erwartet maßgeschneiderte Lösungen vom Fachbetrieb. Um sich hier wettbewerbsfähig zu qualifizieren, bedarf es eines hohen Zeit- und Geldaufwands. Wie können gerade kleine und mittelständische Handwerksbetriebe diesem hohen Anspruch gerecht werden?

Sell: Hier schließt sich der Kreis und wir kommen zurück auf die Themen vertrauensvolle Partner und Marke. Das Fachhandwerk sieht sich mit immer komplexeren Technologien konfrontiert. Umso wichtiger ist es für diese Betriebe, verlässliche Marken aus der Industrie an der Seite zu haben.

Dehn:Dazu möchte ich noch ergänzen, dass es vom Bund bzw. von den Ländern momentan tolle Fördermöglichkeiten rund um das Thema Digitalisierung gibt. Dies ist gerade für kleine und mittlere Betriebe eine attraktive Möglichkeit, Geld für Aus- und Weiterbildung zu generieren.

Sell: Interessant in diesem Zusammenhang ist das Thema Virtual Reality. Dies ist kein Zukunftsthema mehr. Einige Hersteller wie Google haben bereits VR-Brillen auf den Markt gebracht. Man stelle sich folgende Szene vor: Der Elektriker eines kleinen Handwerksbetriebs steht vor der Elektroinstallation, vor dem Schaltschrank, und schaut mit seiner VR-Brille hinein. Im Hintergrund sitzt jemand aus der Hotline eines Herstellers, der ihm hilft, das Problem, das durch die Brille des Installateurs visualisiert wird, zu lösen. Es wird in Zukunft Möglichkeiten geben, die wir heute noch gar nicht so richtig bewerten können.

Was sind für Sie die größten Herausforderungen der kommenden Jahre für das Elektrohandwerk und für die gesamte Branche?

Sell: Für Handwerk, Industrie und Großhandel wird das Thema Offenheit gegenüber Veränderungen eine zentrale Rolle spielen. Wir können die Umwälzungen, die durch die Digitalisierung kommen, nicht aufhalten. Ein Beispiel: Wir werden immer wieder mit Anrufen von Installateuren oder Großhändlern konfrontiert, die Produkte von uns irgendwo auf der Welt kaufen. Wir müssen uns einfach daran gewöhnen, dass die Absatz- und Vertriebswege zunehmend verschwimmen. Es geht auch nicht darum, ob wir z.B. Alexa von Amazon gut finden oder nicht, sondern wir müssen uns mit dem Thema auseinander setzen.

Dehn: Derjenige, dem es besser gelingt seine Mitarbeiter, ob in der Industrie, im Handwerk oder im Großhandel mitzunehmen, in das neue Denken zu transformieren, dass Veränderungen gut und wichtig sind, der wird erfolgreich sein. Sicherheit durch Stabilität, das war gestern. Zukünftig muss es heißen: Sicherheit durch Veränderung. Aber das ist für alle, egal ob in Handwerk, Handel oder Industrie, eine Mammutaufgabe.

Vielen Dank für das Gespräch!


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