Gebäudeautomation auf Basis industrieller Standards – Reduzierung des Energieverbrauchs

Die aktuelle wirtschaftliche Situation zwingt viele Unternehmen dazu, sich zwecks weiterer Optimierung des Kosten- und Zeitaufwands nach innovativen Automatisierungslösungen umzusehen. Dabei werden die bekannten und bewährten Konzepte kritisch analysiert und unter Umständen durch neue Ansätze ergänzt oder ersetzt. Das auf internationalen Standards basierende Automatisierungssystem Automationworx von Phoenix Contact eröffnet hier Einsparpotenziale.
Automationworx umfasst unter anderem Steuerungen in verschiedenen Leistungsklassen sowie zahlreiche digitale und analoge Standard- und Funktionsmodule in Schutzart IP20 für die serielle Kommunikation. Die digitalen E/A-Klemmen, die beispielsweise für die Schaltbefehle der Beleuchtung und Endschalter verwendet werden, stehen in zahlreichen Varianten zur Verfügung. Je nach Sensorsignal wird die Raum- oder Vorlauftemperatur mit Analogmodulen der Messbereiche 0 bis 10V, 0 bis 20mA respektive 4 bis 20mA oder mit Temperaturmodulen erfasst. Die vorhandenen oder neu hinzugekommenen herstellergebundenen Peripheriegeräte lassen sich über serielle Inline-Funktionsmodule oder via Ethernet in das Automatisierungssystem von Phoenix Contact integrieren. Spezielle Gebäudeautomations-Funktionen für Heizung, Klima und Lüftung werden mit Standard-Komponenten sowie mit den Funktionsbausteinen aus der Bibliothek Building Automation Controller Library (BACL) realisiert. Das Automationworx-System zeichnet sich auch dadurch aus, dass alle Steuerungen neben der Interbus- mindestens eine Ethernet-Schnittstelle an Bord haben. So kann der Anwender weitere Geräte via TCP/IP einbinden sowie auf andere IT-Komponenten zugreifen. Zudem können die SPSen direkt in Datenbanken schreiben, sodass auf eine ‚Middleware‘ verzichtet werden kann. Die Datenbank bildet dann die Grundlage für Scada-Systeme oder die Leittechnik. Aufgrund dieser und weiterer Vorteile hat sich das Maritim-Hotel für den Einsatz der Automatisierungslösung von Phoenix Contact entschieden.

Die Aufgabenstellung

Im, am Flughafen Hannover, gelegenen Maritim-Hotel sollte die HKL-Anlage des großen Sitzungssaals modernisiert werden. Der ‚Saal Maritim‘, der bis zu 1.000 Besuchern Platz bietet, wird vor allem für Großveranstaltungen genutzt. Zur Klimatisierung des Raums sind zwei Lüftungsanlagen mit Außen- und Umluftklappen sowie Heiz- und Kühlregister installiert. Mit der bestehenden Steuerung ließ sich so die Luftmenge über manuelles Zu- und Abschalten der jeweiligen Anlage in den Stufen 1/3, 2/3 und 3/3 steuern. Die Lüfter, die mit einer Stern-Dreieckschaltung für den Anlauf ausgerüstet waren, liefen im Betrieb stets mit voller Drehzahl. Die Außenluftrate wurde manuell den jeweiligen Bedürfnissen angepasst. Ziel des Umbaus war es, den Energieverbrauch der Lüftungsanlage durch Verwendung einer neuen Steuerungstechnik zu verbessern. Außerdem sollten die Anwender die Anlage auf Basis von Web-Technologien von jedem PC im Hotel aus bedienen können. Und schließlich war ein Fernzugriff über einen sicheren VPN-Tunnel (Virtual Private Network) gefordert.

Möglichkeiten zur Energieeinsparung

Der elektrische Energieverbrauch der Lüftungsanlage lässt sich auf verschiedene Arten reduzieren. Eine Möglichkeit ist die bedarfsgerechte Ansteuerung der Pumpen und Lüftermotoren. Werden die Lüftermotoren drehzahlgeregelt betrieben, ergibt sich in der Regel eine deutliche Energieeinsparung, da nur die tatsächlich benötigte Luftmenge umgewälzt werden muss. Als weitere Option trägt die bedarfsgerechte Regelung der Außenluftmenge zu einer Verringerung der erforderlichen Primärenergie bei. Zu diesem Zweck kann man die Zahl, der sich im Saal aufhaltenden Personen, ermitteln und dann pro Person eine bestimmte Außenluftmenge in den Raum eingetragen. Besser ist es jedoch, wenn die aktuelle Luftqualität über einen CO2-Sensor erfasst und dann durch eine variabel zuzuführende Frischluftmenge auf einem angenehmen Niveau ausgeregelt wird.

Batterielose Funksensoren ermitteln Raumtemperatur

Damit die Lüftungsanlage energetisch optimal arbeitet, müssen die Luftmengen bedarfsgerecht zugeleitet werden. Die umgewälzte Luftmenge hat dabei zwei Aufgaben zu erfüllen. Zum einen dient sie dem Energietransport, um den Raum auf der gewünschten Temperatur zu halten. Zum anderen sorgt sie für den notwendigen Frischlufteintrag. Die Lüftungsanlage wurde daher um vier Frequenzumrichter für die Zu- und Ablüfter erweitert, deren Ansteuerung via Modbus RTU erfolgt. Über die serielle Anbindung werden nicht nur die Solldrehzahlen, sondern auch die Betriebs- und Störmeldungen der Umrichter übertragen. Durch die Nachrüstung eines Luftqualitätsfühlers und einer Luftstrommesssonde wird nur noch die tatsächlich benötigte Luftmenge umgewälzt (s. Bild rechts). Da der Saal für die verschiedenen Events häufig umgestaltet wird, erwies sich die Suche nach dem optimalen Montageort für die Raumtemperaturfühler als schwierig. Die Sensoren könnten hier durch wechselnde Dekorationen verdeckt werden. In Absprache mit dem Betreiber fiel die Wahl deshalb auf Raumfühler mit Enocean-Technologie, also batterielose Funksensoren. Die Empfangsantenne ist unsichtbar an der Raumdecke angebracht worden, sodass die Raumfühler mit minimalem Aufwand an anderen Orten platziert werden können.

Flexible Kleinsteuerung passt sich den jeweiligen Anforderungen an

In der Lüftungszentrale wurde das 19″-Rack der alten Steuerung entfernt. An seine Stelle ist die modulare Kleinsteuerung ILC 155 ETH von Phoenix Contact in Verbindung mit einem Touch Panel zur Vor-Ort-Bedienung getreten. Der ILC 155 ETH lässt sich durch Anreihen der E/A-Module aus dem Installationssystem Inline flexibel an die jeweiligen Anforderungen anpassen. So konnten alle Signale der bisherigen Installation übernommen werden. In Kombination mit der Funktionsbibliothek BACL wird aus der universellen Kleinsteuerung eine leistungsfähige DDC (Direct Digital Control) für alle Bereiche der Gebäudeautomation. In der Bibliothek sind bereits sämtliche Regelalgorithmen zum energieoptimierten Betrieb einer Lüftungsanlage enthalten. Mit der Automatisierungssoftware PC Worx werden die einzelnen Funktionsmodule dann per Drag&Drop zum spezifischen Applikationsprogramm verschaltet. Die integrierte HTML-Online-Hilfe unterstützt den Anwender, indem sie die einzelnen Funktionen erklärt.

Touch Panel und Web-Technologie für unabhängige Bedienung

Über das Touch Panel wird die komplette Anlage vor Ort bedient. Jeder Antrieb kann dabei unabhängig vom Automatikprogramm im Handbetrieb verfahren werden, um dem Anwender beim Ausfall einer Teilanlage eine maximale Eingriffsmöglichkeit zu geben. Außerdem lässt sich die Lüftungsanlage unabhängig vom Zeitprogramm des Leitsystems im Halbautomatikprogramm geregelt betreiben. Normalerweise wird die Klimatisierung des Saals jedoch vom Zeitschaltprogramm gesteuert, das aufgrund des Web-basierten Automatisierungssystems flexibel gestaltet werden kann. Sequenzen wie ‚Aufheizbetrieb‘, ‚Normalbetrieb‘ oder ‚Reinigungsbetrieb‘ sind beispielsweise frei definierbar und lassen sich später im Zeitprogramm wieder aufrufen. Da es sich um ein Web-basiertes System handelt, kann die Lüftungsanlage von jedem PC, der an das Hausnetz angeschlossen ist, bedient werden. Selbstverständlich beinhaltet die Visualisierung ein Benutzermanagement, sodass nur autorisierte Personen Zugriff auf die Anlage haben. Der Fernzugriff auf die Automatisierungsanlage erfolgt über das VPN-fähige Security-Gerät FL MGuard. Die Sicherheitskomponenten, die sowohl für den Einbau im Schaltschrank als auch als Modul für das Büroumfeld erhältlich sind, verschlüsseln alle Daten gemäß IPsec-Standard. Das ermöglicht eine sichere Bedienung und Wartung der Lüftungsanlage über das Internet (s. Bild unten).

Fazit

Nach erfolgreicher Installation und Inbetriebnahme bestätigen die Verantwortlichen des Maritim-Hotels das Automatisierungssystem Automationworx als richtige Wahl. Mit den verwendeten Standards lassen sich individuelle Lösungen zeitsparend auf Basis vorgefertigter Funktionsbausteine umsetzen. Via Ethernet können Daten gewerkeübergreifend ausgetauscht werden. Vor diesem Hintergrund ist das Echtzeit-Ethernet-Protokoll Profinet durchaus als alternatives Kommunikationsmedium in der Gebäudeautomation zu betrachten. So ermöglichen die im Profinet-Protokoll enthaltenen Informationen beispielsweise eine umfassende Diagnose. Darüber hinaus lässt sich Profinet einfach mit dem Büronetzwerk kombinieren, wobei Administration und Automation quasi dasselbe Medium nutzen, die Daten aber aufgrund der unterschiedlichen Protokolle getrennt voneinander übertragen werden.

Kasten: Funktionsbausteine vereinfachen die Gebäudeautomation

Um die besonderen Anforderungen der Gebäudeautomation mit einem industriellen Automatisierungssystem umsetzen zu können, sind in der Regel spezifische Funktionen erforderlich. Deshalb umfasst die Bibliothek ‚Building Automation Controller Library (BACL)‘ von Phoenix Contact entsprechende Funktionsbausteine für Standardlösungen. Müssen z.B. Klappen gesteuert werden, wird der Funktionsbaustein ‚BACL_Damper_xxx‘ in das Anwendungsprogramm eingebunden. Alle in der Bibliothek enthaltenen Bausteine lassen sich variabel integrieren, sodass eine Kombination verschiedener Funktionen wie ‚Lichtsteuerung‘ und ‚Heizung Klima Lüftung‘ ohne großen Programmieraufwand möglich ist. BACL unterstützt darüber hinaus die Zeitsynchronisation mit weiteren Steuerungen oder einem PC sowie die Lichtsteuerung mit Enocean und Dali. Über die auf allen Steuerungen vorhandene Ethernet-Schnittstelle können Gebäudestandards wie EIB/KNX in das Automatisierungssystem eingebunden werden. Außerdem stehen Funktionsbausteine zur einfachen Integration der Energiedatenerfassung in das Gebäudeleitsystem zur Verfügung.


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