Schutz vor Überspannungen

In den letzten Jahrzehnten haben Schäden durch Blitzeinschläge und Überspannungen stetig zugenommen. Einer der wesentlichen Gründe ist der vermehrte Einsatz von Mikroelektronik und Computern. Überspannungen können zu Funktionsstörungen oder gar zur Zerstörung von Geräten und Anlagen führen. Überspannungsschutzgeräte bieten hier einen wirkungsvollen Schutz.
Überspannungen und Stoßströme entstehen nicht nur durch Blitzentladungen, sondern auch durch Schalthandlungen oder elektrostatische Entladungen. Diese Überspannungen und Stoßströme treten nur für den Bruchteil einer Sekunde auf und koppeln galvanisch, induktiv oder kapazitiv sowie über Strahlen- oder Wellenbeeinflussung in Leitungen für Stromversorgung, Messwerterfassung, Telekommunikation oder Datenübertragung ein. Um zu verhindern, dass Überspannungen empfindliche elektrische Anlagen zerstören, müssen die Leiter, an denen Überspannungen auftreten, für die Zeitdauer des Überspannungsereignisses mit dem Potenzialausgleich kurzgeschlossen werden. Je nach Anwendungsfall kommen Funkenstrecken, gasgefüllte Überspannungsableiter, Varistoren sowie Suppressordioden zum Einsatz. Geeignet angeordnete Überspannungsschutzgeräte bilden quasi einen ‚Schutzkreis‘. Die zu schützende Anlage oder das zu schützende Gerät befindet sich innerhalb des Schutzkreises, und an allen Schnittpunkten von Leitungen mit dem Schutzkreis sind Überspannungsschutzgeräte zu installieren. Stromversorgungsanlagen werden durch energiereiche Blitz-Überspannungen sowie Blitz-Stoßströme bedroht. Für einen wirkungsvollen mehrstufigen Schutz gegen Überspannungen und Stoßströme stehen Schutzgeräte verschiedener Leistungsklassen zur Verfügung:
– Typ 1: Blitzstromableiter
– Typ 2: Überspannungsableiter
– Typ 3: Geräteschutz

Bei der Ableitung von Blitz-Stoßströmen gilt in erster Näherung, dass gemäß der Norm DIN EN 61305-1 rund 50% des Blitzstroms über das äußere Blitzschutzsystem eines Gebäudes – sprich den Blitzableiter – in die Erde abgeleitet werden. Bis zu 50% des verbleibenden Blitzstroms können über elektrisch leitfähige Systeme, wie z.B. Potenzialausgleichssysteme, ins Gebäude hinein fließen.

Hohes Gefährdungspotenzial in exponierter Lage

Der max. im Gebäude zu erwartende Summen-Blitzstrom wird durch die Blitzschutzklasse des äußeren Blitzschutzsysems festgelegt. Bei Blitzschutzklasse I beträgt der Summen-Blitzstrom max. 100kA bei einer Impulsform von 10/350µs. Es ist davon auszugehen, dass sich der Summen-Blitzstrom gleichmäßig auf die Leiter eines Stromversorgungssystems verteilt. Deshalb sind die Blitzströme auf den einzelnen Leitern deutlich kleiner als der Summen-Blitzstrom. Beispielsweise bei Blitzschutzklasse I und vier aktiven Leitern ist pro aktivem Leiter mit Blitzströmen von maximal 25kA (10/ 350µs) zu rechnen. Bei Gebäuden in exponierter Lage, solchen mit einem äußeren Blitzschutzsystem oder mit anderen geerdeten Metallkonstruktionen auf dem Dach, wie einer Antenne, ist von einem hohen Gefährdungspotenzial durch direkte Blitzeinschläge auszugehen. Der wirkungsvolle Schutz des Stromversorgungssystems wird durch ein dreistufiges Schutzkonzept erreicht:

– Schutzstufe 1: Typ 1-Blitzstromableiter in der Hauptverteilung
– Schutzstufe 2: Typ 2-Überspannungsableiter in der Unterverteilung
– Schutzstufe 3: Typ 3-Geräteschutz vor dem Endgerät

Mithilfe leistungsfähiger elektronisch getriggerter Funkenstrecken lassen sich die erste und die zweite Schutzstufe an einem Einbauort in der Hauptverteilung zusammenfassen.

Einfacherer Blitzschutz bei geringem Gefährdungspotenzial

Bei Gebäuden mit einem geringen Gefährdungspotenzial für einen direkten Blitzeinschlag kann auf die Installation von Typ 1-Blitzstromableitern verzichtet werden. Von einem geringen Gefährdungspotential ist dann auszugehen, wenn sich beispielsweise ein niedriges Gebäude ohne äußeres Blitzschutzsystem oder ohne andere geerdete Metallkonstruktionen auf dem Dach inmitten einer Wohnsiedlung befindet. Ein direkter Blitzeinschlag ist in diesem Fall, statistisch betrachtet, selten zu erwarten. Für ein solches zweistufiges Schutzkonzept mit begrenztem Ableitvermögen ergibt sich folgender Aufbau:

– Schutzstufe 1: Typ 2-Überspannungsableiter in Haupt- oder Unterverteilung
– Schutzstufe 2: Typ 3-Geräteschutz vor dem Endgerät

Typ 1-Blitzstromableiter sind die erste und leistungsstärkste Schutzstufe gegen Überspannungen und Stoßströme. Der Summen-Ableitstrom solcher Schutz­geräte beträgt bis zu 100kA (10/ 350µs) für die Blitzschutzklasse I.

Kurzdefinition:
– Schutzstufe 1: Blitzstromableiter
– Üblicher Einbauort: Hauptverteilung
– Ableiterklasse: Typ 1/IEC Class I/(früher VDE Anforderungsklasse B)
– Schutzpegel = 4,0kV

Der typische Einbauort für Typ 1-Blitzstromableiter als erste Schutzstufe ist die zentrale Stromversorgung. Gemäß der Norm DIN EN 62305-3 beträgt der minimale Anschlussquerschnitt für Kupfer-Leitungen 14mm-2 – in der Regel werden 16mm-2 verwendet.

Zuständiger Energieversorger wird hinzugezogen

Der aus technischer Sicht bevorzugte Einbauort für Typ 1-Blitzstromableiter liegt direkt hinter dem Hausanschlusskasten. Je nach Aufbau der Stromversorgung wird die passende Blitzstromableiterkombination in einem separaten Gehäuse in die Hauptleitung vor dem Zähler eingebaut. Dafür ist der zuständige Energieversorger hinzuzuziehen oder eine entsprechende Zustimmung einzuholen. Blitzstromableiter mit Funkenstrecken, die ohne Betriebsstrom respektive ohne Leckstrom arbeiten, dürfen im Vorzählerbereich installiert werden. Ist eine Installation vor dem Zähler nicht möglich, erfolgt der Einbau der Typ 1-Blitzstromableiter in der Hauptverteilung hinter dem Zähler. Blitzstromableiter mit Funkenstrecken und parallel geschalteten Varistoren dürfen nicht im Vorzählerbereich installiert werden. Varistoren können einen geringen Betriebsstrom bzw. Leckstrom von wenigen Mikroampere aufweisen. Deshalb fordern Energieversorger, dass Überspannungsableiter mit Varistoren nur im gezählten Bereich, also hinter dem Zähler, installiert werden dürfen. Die Absicherung der Schutzgeräte gegen Kurzschlussströme ist gemäß den Hersteller-Angaben auszulegen. Produzenten elektrischer Betriebsmittel, die ans Hauptstromversorgungssystem angeschlossen werden, sind zur Angabe einer maximal zulässigen Vorsicherung verpflichtet. Blitzstromableiter und Überspannungsableiter sind Betriebs­mittel in diesem Sinne, auch wenn sie nicht vom Anlagenbetriebsstrom durchflossen werden. Typisch für Typ 1-Ableiter sind Sicherungswerte in Höhe von 250 bis 315A gG. Sind die Anlagen-Vorsicherungen größer ausgelegt, müssen den Ableitern entsprechend kleinere, selektiv auf die Anlagensicherung abgestimmte Sicherungen F2 vorgeschaltet werden.

Schutzpegel und Ableitvermögen sollen sich ergänzen

Die Blitzstrom-Überspannungsableiter-Kombination von Typ 1 und 2 erfüllt die Anforderungen der ersten und zweiten Schutzstufe. Dabei haben sich Ableiterkombinationen bewährt, die nach dem AEC (Active Energy Control)-Prinzip arbeiten. Bei diesem Prinzip der aktiven Energiesteuerung zwischen Typ 1- und Typ 2-Ableitern erfolgt eine angemessene Lastverteilung des Stoßstroms, sodass sich der niedrige Schutzpegel des Typ 2-Ableiters sowie das hohe Ableitvermögen des Typ 1-Ableiters wirkungsvoll ergänzen. Der Einbau von Typ 1- und 2- Ableiterkombinationen mit Varistoren vor dem Stromzähler ist nicht zulässig. Ableiter mit Varistoren haben einen Betriebsstrom respektive Leckstrom von wenigen Mikroampere, der nur im gezählten Bereich entnommen werden darf.

Kurzdefinition:
– Schutzstufe 1 und 2: Blitzstrom-Überspannungsableiter-Kombination
– Üblicher Einbauort: Hauptverteilung, hinter dem Stromzähler
– Ableiterklasse: Typ 1 und 2/IEC Class I und II/(früher VDE Anforderungsklasse B+C)
– Schutzpegel = 2,5kV

Typ 2-Überspannungsableiter sind die zweite Schutzstufe in Stromversorgungsanlagen und in der Lage, Teil-Blitzströme sowie Schalt-Überspannungen abzuleiten. Der typische Einbauort für Typ 2-Überspannungsableiter ist die Stromkreisverteilung/Unterverteilung oder die Einspeisung von Schaltschränken sowie Steuerungen an Maschinen. Typ 2-Ableiter senken die Restspannung so weit, dass die maximale Spannungsfestigkeit der Betriebsmittel und Leitungen im Bereich der Festinstallation zwischen der Stromkreisverteilung und dem Stromanschluss für Endgeräte nicht überschritten wird. Bei Anlagen mit einer Nennspannung von 230V AC sind das 2,5kV DC. Meistens sind Typ 2-Überspannungsableiter für die Spannungsebene 230V AC so ausgelegt, dass sogar Schutzpegel von weniger als 1,5kV DC erreicht werden. Überspannungsableiter mit Varistoren können bei Überlastung Alterungserscheinungen zeigen. Um eine alterungsbeding­te Über­hitzung durch Leckströme wirkungsvoll zu verhindern, besitzen Typ 2-Varistoren für den Einsatz in Stromversorgungssystemen eine thermische Abtrennvorrichtung.

Gasgefüllte Überspannungsableiter

Als Summenfunkenstrecke (N/PE-Funkenstrecke) in Typ 2-Überspannungsableitern kommen gasgefüllte Überspannungsableiter (ÜsAg) zum Einsatz. Sie besitzen ein hohes Ableitvermögen für Stoßströme und werden bei der 3+1-Schaltung zwischen N und PE eingebaut.

Kurzdefinition:
– Schutzstufe 2: Überspannungsableiter
– Üblicher Einbauort: Unterverteilung
– Ableiterklasse: Typ 2/IEC Class II/(früher VDE Anforderungsklasse C)
– Schutzpegel = 2,5kV

Typisch für Typ 2-Überspannungsableiter mit Varistoren sind Sicherungswerte in Höhe von maximal 125A gG. In Unterverteilungen – dem bevorzugten Einbauort von Typ 2-Überspannungsableitern – sind die Nennströme des zu schützenden Stromversorgungssystems häufig kleiner/gleich 125A. In diesem Fall kann auf eine Vorsicherung F2 vor Typ 2-Überspannungsschutzgeräten verzichtet werden. Der Typ 3-Geräteschutz als dritte Schutzstufe in der Stromversorgung senkt die Restspannung unter die Spannungsfestigkeit der Endgeräte – bei empfindlichen elektrischen Geräten mit einer Nennspannung von 230V AC beispielsweise kleiner/ gleich 1,5kV DC.

Kurzdefinition:
– Schutzstufe 3: Geräteschutz
– Üblicher Einbauort: vor dem Endgerät
– Ableiterklasse: Typ 3/IEC Class III/
(früher VDE Anforderungsklasse D)
– Schutzpegel = 1,5kV