Gebäudeautomation:
Systemlösungen gehört die Zukunft

Anlässlich der bevorstehenden Light+Building, Internationale Fachmesse für Architektur und Technik vom 6. bis 11. April 2008 in Frankfurt am Main, erläutert Dipl.-Ing. Werner Ueberrhein, Geschäftsführer der Sauter-Cumulus GmbH und Vorsitzender des Fachverbandes Automation + Management für Haus + Gebäude im VDMA, Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V., aktuelle Trends in der Haus- und Gebäudeautomation.
Herr Ueberrhein, wie stellt sich angesichts der bevorstehenden Messe Light + Building 2008 das Marktumfeld für die Haus- und Gebäudeautomation dar?

Ueberrhein: Die verschiedenen Neubausegmente entwickeln sich sehr unterschiedlich. Im Wohngebäude-Markt sehen wir derzeit einen sehr starken Rückgang. Das Marktsegment Bürogebäude hält sich auf gleichem Niveau, während die Zweckbauten leicht zulegen, vor allem im Bereich Logistik und im industriellen Bereich. Zu berücksichtigen ist dabei aber auch, dass der Markt Neubau in den letzten zwölf Jahren in Deutschland markant eingebrochen ist und wir hier von einem relativ niedrigen Niveau ausgehen.

Seit Jahren stagniert der Branchenumsatz der Automatisierungstechnik für die Technische Gebäudeausrüstung (einschließlich Ingenieurdienstleistungen) bei einer Größenordnung von etwa 1,1 Mrd. Euro. Wie erklären Sie sich die Investitionszurückhaltung?

Ueberrhein: Bedenkt man den genannten Rückgang des Neubauvolumens, erstaunt es eigentlich, dass der Umsatz der Branche nicht noch mehr zurückging. Aufgefangen wurde dies vor allem durch die Sanierung von Gebäuden, die sich in der Vergangenheit als Energieschleudern herausgestellt haben. Bei Bürogebäuden finden wir nach wie vor einen hohen Leerstand. Ein großer Teil dieses Leerstandes ist dadurch bedingt, dass diese Gebäude durch die „2. Miete“ inzwischen für Mieter unattraktiv geworden sind. Das Thema „2. Miete“ wird durch weiter steigende Energiekosten künftig noch mehr Immobilienbesitzer treffen, da hier nicht rechtzeitig energiesparende Investitionen getätigt wurden. Die Menschen sind nicht mehr bereit, hohe Verbrauchskosten zu akzeptieren. Die augenblickliche Energiediskussion wird innovativen Anbietern die Chance geben, ihre energieeffizienten Produkte noch stärker und breiter im Markt zu verankern. Die Investitionszurückhaltung wird sich hier in eine wachsende Investitionsfreude umkehren. Konkret bedeutet das auch, dass Energieeffizienz nicht durch Einbußen bei Komfort, Sicherheit oder Zuverlässigkeit erkauft wird. Im Gegenteil: Der gezielte Einsatz modernster Technik ermöglicht eine langfristige, nachhaltige Verbesserung der gesamten „Performance“. Das beginnt schon bei der Datenerfassung. Nur wer richtig misst und weiß, wo er wie viel Energie verbraucht, kann auch entsprechend steuern. Dazu kommen neue Möglichkeiten wie die Fernwartung übers Netz oder der Einbezug von Wetterprognosen in die Energiesparprozesse. Wenn ich schon heute weiß, dass es morgen kalt wird, kann ich den Wärmehaushalt entsprechend regulieren. Es schlummert also noch ein riesiges Energiesparpotenzial in unseren Gebäuden, das nur darauf wartet, durch den Einsatz geeigneter Technik ausgeschöpft zu werden.

Wie teilt sich der Markt auf die einzelnen Branchensegmente auf?

Ueberrhein: Grundsätzlich haben wir in unserer Branche Unternehmen, welche drei Marktsegmente bearbeiten: die Produktlieferanten (ihr Anteil liegt bei 40 %), die Systemlieferanten (50 % Anteil) und die Dienstleistungsunternehmen, die den Bereich Services und Facility Management betreuen (10 % Anteil). Verschiedene Unternehmen unserer Branchen streben in die reine Produktverantwortung. Ergänzend dazu haben sich manche unserer Unternehmen zu Systemlieferanten für die Funktionen im Gebäude entwickelt und liefern das entsprechende Know-how und die Dienstleistung dazu.

Welche Erwartungen haben Sie für die kommenden Jahre?

Ueberrhein: In den nächsten Jahren wird sich sicherlich der Investitionsstau der Kommunen unter der Vorgabe der Energieeinsparung lösen lassen. Weiterhin müssen viele Gebäude modernisiert werden. Die Wertsicherung spielt zudem eine immer größere Rolle. Vielerorts stellt sich daher die Frage, ob sich eine Sanierung überhaupt lohnt oder ob es nicht neue, bessere Wege gibt, langfristig Energie zu sparen. In allen Fällen wird der gezielte Einsatz modernster Technik mithelfen, die Energiekosten nachhaltig zu senken und damit die Effizienz markant zu steigern. Trotzdem wird die gegenwärtige Situation wohl noch eine Weile anhalten. Der Markt durchläuft gerade eine Konsolidierungsphase, die von einem starken Umdenken in Sachen Ökologie geprägt ist. Das heißt: Die Kunden sind durchaus bereit, etwas mehr zu bezahlen, wenn die entsprechende Lösung nachhaltig ist, sprich energieeffizient und langfristig umweltfreundlich ausfällt. Da zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab, der seine Wirkung in den kommenden Jahren immer stärker entfalten wird. Wir rechnen fest damit, dass dieser Trend anhält und die Anbieter mit entsprechend innovativen Produkten reagieren werden, welche dazu beitragen, Kosten und Ressourcen zu sparen.

Welchen Stellenwert haben Systemlösungen derzeit?

Ueberrhein: Leider wird am Bau noch zu wenig über gewerkeübergreifende Lösungen im Sinne einer „Total Building Solution“ nachgedacht. Dieser Effekt liegt in der Historie, da wir für viele Teilgewerke im Bau verschiedene Planer haben. Wir haben ein abgegrenztes, Gewerke-orientiertes Vergabewesen, was zu einem Gärtchendenken führt. Es wird viel unnötige Redundanz erzeugt, die Bauherr und Gebäudenutzer eigentlich gar nicht benötigen. Ein ganzheitlicher Ansatz, gepaart mit der nötigen Erfahrung und der technischen Kompetenz ist von entscheidender Bedeutung. Den Systemlösungen gehört ganz klar die Zukunft, auch wenn man heute vielerorts noch weit davon entfernt ist. In Anbetracht des immer größer werdenden Kostendrucks wünsche ich mir zukünftig im Sinne des Kunden übergreifende Systemlösungen und hoffe, dass wir uns vom Gärtchendenken verabschieden. Deshalb begrüßen wir auch sehr das Verbundkonzept der Light+Building, das unseren Wunsch nach einer gesamtenergetischen Betrachtung des Gebäudes erfüllt. Sehr optimistisch stimmt mich die EPBD, die Europäische Richtlinie über Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Die Ende 2002 von der EU erlassene Richtlinie ist eine große Chance, denn sie zwingt zu übergreifendem Denken. Zukünftig werden Energieausweise für Gebäude ausgestellt, die deren Klassifizierung nach Energieverbrauch ausweisen. Es muss aber an dieser Stelle klar sein, dass die reine Investition in die Technik für sich alleine gewertet nicht die ganze Wahrheit darstellt. Gebäude müssen permanent regelmäßigen Inspektionen unterworfen werden.

Welche Auswirkungen auf Markt und Technik erwarten Sie durch die neuen EU-Richtlinien zur Gesamtenergieeffizienz und zur Endenergieeffizienz?

Ueberrhein: Ich bin sehr froh, dass die EU hier das Zepter in die Hand genommen hat. Gerade mittelständische Betriebe, und davon haben wir sehr viele in unserer Branche, müssen die Chance haben, ihre Entwicklungen europaweit einsetzen zu können. Das früher länderspezifische Handeln und Denken hat damit ein Ende. Das heißt: Es stellt sich nicht mehr die Frage, wo ein Produkt hergestellt wird, sondern wer die beste Lösung bietet. Diese Entwicklung begrüßen wir natürlich. Der politische Wille integrierter Lösungen Kälte/Wärme/Beleuchtung/Energie/Gebäudautomation usw. wird auch hier unsere Branche zwingen, geeignete Systeme für gute Lösungen zu finden.

Wieweit ist die Branche auch von der neuen Ökodesignrichtlinie betroffen?

Ueberrhein: Als Hersteller von Mess-, Steuer- und Regeltechnik sind wir von dieser Richtlinie nur indirekt betroffen. Wir stellen selbst ja keine Energieverbraucher her. Selbstverständlich beeinflussen wir aber mit unserer Technik den Energieverbrauch und damit die Gesamtenergieeffizienz in Gebäuden. Ich persönlich denke, die Vorgaben dieser Richtlinie sind gut, aber wir stehen erst am Anfang. Die Entwicklung wird hier an Tempo zunehmen und bietet unserer Branche gute Chancen.

Sehen Sie in den neuen EU-Richtlinien zur Gesamtenergieeffizienz, zum Ökodesign und zur Endenergieeffizienz für die Haus- und Gebäudeautomatisierung mehr eine Herausforderung oder eine Chance?

Ueberrhein: Der G8-Gipfel in Rostock hat gezeigt, dass die Themen Energieeinsparung, Umweltschutz, Effizienzsteigerung, keine Eintagsfliegen sind, sondern dass sich alle Staaten und Märkte nachhaltig damit beschäftigen und deren Entwicklung davon beeinflusst wird. Dass heißt, wir haben es mit einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen zu tun, das an Relevanz eher zu als abnimmt. Themen wie Ökologie oder Energieeffizienz sind längst gesellschaftsfähig geworden. Ganz wichtig in diesem Zusammenhang ist die Kostendiskussion. Betriebskostensenkungen spielen eine immer größere Rolle, nicht nur im Zusammenhang mit der Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch bezüglich des Umgangs mit den begrenzten Ressourcen. Hier spielt der bedarfsgerechte Einsatz modernster Technik eine entscheidende Rolle. Denn es geht ja nicht nur darum, EU-Richtlinien umzusetzen, sondern generell einen Beitrag für eine bessere Umwelt zu leisten. Betriebskostensenkung spielt in allen Bereichen der Industrie eine große Rolle. Viele der Kunden haben in ihrer persönlichen Zielvereinbarung z.B. Betriebskostensenkung vorgegeben. Außerdem müssen wir gemeinsam die Versorgungssicherung aufgrund der immer knapper werdenden Ressourcen gewährleisten. Damit sind die Techniken unserer Branche entscheidend gefragt.

Abgesehen von der Technik welche Rolle spielen Planer bei der Realisierung energieoptimierter Gesamtkonzepte für Gebäude?

Ueberrhein: Auch hier spüren wir den Paradigmenwechsel immer deutlicher. Und zwar im privaten wie im öffentlichen Bereich. Der gebäudetechnische Gesamtplaner ist gefragter denn je. Er realisiert den integralen Ansatz im Sinne der EPBD. Bauherren sehen heute in einem innovativen Gebäude nicht nur die Architektur, sondern auch energiesparende Lösungen bei gleichzeitigem Ausbau des Komforts. Ich wünsche mir einen noch intensiveren Meinungsaustausch mit den Architekten, weil Energieeinsparung nicht erst an der Fassade beginnt, sondern im Herzen des Gebäudes, in der Gebäudeleittechnik. Teilweise müssen schon in der Planungsphase hochgerechnete Energieverbräuche dargestellt werden. Ich denke, sie könnten zukünftig u.U. sogar Vertragsbestandteil für die verschiedenen Ersteller werden. Dazu bedarf es aber noch eines Umdenkens der Marktteilnehmer. Das Ziel ist klar formuliert, aber über die zu beschreitenden Wege gibt es noch unterschiedliche Auffassungen. Insbesondere sehe ich gute Ansätze unserer Branche, die heute Produkte entwickelt, um Energieeinsparungen nachweislich aufzeigen zu können. Das wird mit eines der Hauptthemen der zukünftigen Gebäudeautomation sein.

Wieweit sehen Sie die Vereinheitlichung der Kommunikationsstandards bei der Gebäudeautomation gediehen?

Ueberrhein: Ich kenne die Entwicklung der Kommunikationsstandards unserer Branche durch meine 27-jährige Tätigkeit recht gut. Es gab viele Bestrebungen in diese Richtung innerhalb der Branche: FND / LON / EIB / BACnet etc. Vom Markt her spüre ich eine große Akzeptanz im Bereich BACnet, wohl auch deshalb, weil BACnet eine Weltnorm darstellt. Viele Firmen haben sich in unserer Sparte einen Standard in der Gebäudeautomation zu Eigen gemacht. Wozu im Übrigen auch die IT-Technologie mit ihren Soft- und Hardware-Standards beiträgt. Im Vordergrund steht hier allerdings nicht der Austausch von verschiedenen Regelfabrikaten, sondern mehr der Schritt in Richtung funktionsübergreifende Lösungen im Gebäude.

Gebäudeautomation wird in der Regel mit großen Büroimmobilien assoziiert. Wieweit konnte auch schon der Bereich Wohnimmobilien, d.h. das Einfamilienhaussegment erschlossen werden?

Ueberrhein: Im Wohnimmobilienbereich steckt die Gebäudeautomation sicherlich noch in den Kinderschuhen. Die Durchdringung ist noch sehr langsam, obwohl es schon interessante Demonstrations- und Pilotprojekte gibt. Vieles, was früher im Wohnimmobilienbereich undenkbar war, ist heute Realität. Der Anspruch an das zukünftige Wohnen wird nicht mehr heißen ‚Ein Gebäude für alle‘, sondern ‚Bedarfsgerechte Wohneinheiten für individuelle Gruppen‘.

Welche Rolle spielt dabei das Thema ‚altersgerechtes Wohnen‘?

Ueberrhein: Das altersgerechte Wohnen ist ein gutes Beispiel dafür, wie bestimmte Bedarfsgruppen einen Markt beeinflussen können. Neben den Themen Klimakomfort kommt Alarmierungsbereichen eine wichtige Bedeutung zu. Durch den demographischen Wandel werden zukünftig in sehr viel größerem Ausmaß Forderungen an unsere Technik gestellt. Um ihnen zu entsprechen, braucht es intelligente Systeme und nachhaltige Konzepte. Schließlich gestalten wir nichts Geringeres als unsere künftigen Lebensräume. In diesem Bereich liegt für unsere Branche sehr viel Potenzial.

Wie entwickelt sich der Bereich Dienstleistung in Ihrer Branche?

Ueberrhein: Wir erkennen, dass unsere Kunden schneller Unterstützung benötigen. Diese können wir heute befriedigen durch Webtechnologie. Außerdem ist die Fachkompetenz unserer Mitarbeiter, auch durch die IT-Technologie, wesentlich besser entwickelt als dies früher möglich war. Unsere Kunden wollen heute verantwortungsbewusste Ansprechpartner. Eigentlich lässt sich das mit zwei Worten umschreiben: Der Kunde fordert heute von uns ‚Technologische Wellness‘.


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