Neue Wege in der Gebäudeautomatisierung

EEin sich selbst konfigurierendes Funknetz könnte das Modell der Zukunft für die Regulierung des Energieverbrauchs und für die Erhöhung der Sicherheit und des Komforts in Wohngebäuden sein.
Laut Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums ließen sich in deutschen Haushalten durch die Visualisierung des tatsächlichen Energieverbrauchs und der Einführung zeitabhängiger Tarife pro Jahr rund 9,5Twh alleine an Strom einsparen. Das entspricht der Leistung von zwei bis drei Kernkraftwerken, auf die künftig verzichtet werden könnte. Monetär ausgedrückt ließen sich Einsparungen in Höhe von circa 1,5Mrd.e realisieren. Beeindruckende statistische Werte, doch bis zu deren Erreichung wird noch einige Zeit verstreichen, da zunächst einige wichtige Voraussetzungen geschaffen werden müssen. Ein ganz wesentlicher Aspekt bei dem Versuch, den Energieverbrauch zu minimieren, ohne dass der Verbraucher dabei Einschränkungen in Kauf nehmen müsste, ist die Notwendigkeit, den tatsächlichen Energiebedarf exakt zu ermitteln und durch entsprechende Automatisierungsmechanismen intelligent zu beeinflussen. Die Realität sieht derzeit noch ganz anders aus: In der Bundesrepublik existieren über 100Mio. Zähler für die Erfassung der in Haushalten und Unternehmen verbrauchten Energie. Bislang sind davon weniger als 5% in der Lage, ihre Messdaten aktuell und in kurzen zeitlichen Intervallen an eine oder mehrere zentrale Erfassungsstellen weiterzugeben. Die Konsequenz ist weithin bekannt: Die Zähler werden immer noch manuell abgelesen. Bei 70% aller Messgeräte geschieht dies sogar seltener als einmal pro Jahr. Auf diese Weise lässt sich keine Datenbasis für die Effizienzsteigerung schaffen.

Verbrauchsdatenerfassung und aktive Regulierung bisher nicht gekoppelt

Bislang scheitert die automatische Steuerung der Haustechnik an verschiedenen Hindernissen. Zum einen existieren am Markt noch zu viele unterschiedliche Standards, zum anderen adressieren diese jeweils nur einen Aspekt der Automatisierung – entweder die Verbrauchsdatenerfassung oder das aktive Energiemanagement. Ziel muss es sein, die Sammlung von Daten ohne menschliche Interaktion mit der Steuerung der Haustechnik zu koppeln.
Kabelgebundene Monitoring-Systeme haben das Manko, dass sie einer aufwendigen Infrastruktur bedürfen. Gerade bei der Nachrüstung von Bestandsgebäuden macht dies aus bautechnischen wie wirtschaftlichen Gesichtspunkten wenig Sinn. Deshalb wird in der Gebäudeautomatisierung zunehmend auf Funklösungen gesetzt. Bisher im Einsatz befindliche Systeme zeigen allerdings einige gravierende Nachteile: Die häufig festzustellende geringe Reichweite macht einen Einsatz in Kellern und damit dem Hauptstandort der Zähler unmöglich. Zudem arbeiten die meisten herkömmlichen Funklösungen für die Zählerablesung in einer ‚Sterntopologie‘. Das bedeutet, dass jeder Zähler direkten Funkkontakt mit einem zentralen Datensammelknoten haben muss. Dabei fließen die Daten nur in eine Richtung – vom Zähler zum Sammelknoten, was wiederum die aktive Steuerung des Energiebedarfs verhindert.

Zukunftsmodell: Ein sich selbst konfigurierendes Funknetz

Diese Mängel überwindet das neue ‚Scatterweb‘ der gleichnamigen Firma aus Berlin. Es handelt sich dabei um ein Funknetz, das sich selbst aktiviert, konfiguriert und steuert. ‚To scatter‘ bedeutet in der englischen Sprache ’streuen‘ – und ansatzweise leitet sich daraus auch die Funktionsweise des Systems ab: An unterschiedlichen Orten platzierte Funkmodule kommunizieren miteinander und übertragen Daten an ein zentrales System. Im Rahmen der Gebäudeautomatisierung und einer verbesserten Erfassung von Verbrauchsdaten werden Funkmodule, die etwa
die Größe einer Streichholzschachtel haben, an den Verbrauchszählern angebracht. Selbstkonfigurierend ist das System deshalb, weil sich die einzelnen Funkknoten nach dem Einschalten eigenständig einen ‚Nachbarn‘ suchen. Auf diese Weise baut sich binnen kurzer Zeit ein Netz auf, über das die gesammelten Messdaten mit einer Bandbreite zwischen 4,8 und 115kbit/s transferiert werden. Da die zu übertragenden Informationen quasi von einem Modul zum nächsten springen, wird auch von einem ‚Multihop-System‘ gesprochen. Selbst der Ausfall eines Knotens schadet nicht, da automatisch nach dem nächsten verfügbaren gesucht wird. Durch die Nutzung des lizenzfreien Frequenzbandes 868MHz ist eine sehr gute Übertragung innerhalb von Gebäuden möglich, selbst dicke Wände stellen kein Hindernis dar. Multihop-Netze bieten die Möglichkeit, die Daten einer großen Anzahl dezentraler Messpunkte mit einem deutlich geringeren Aufwand zu erfassen, sammeln und zu übertragen als dies mit leitungsgebundenen oder Punkt-zu-Punkt-Verbindungen möglich ist. Das System funktioniert so auch in Kellern, in die keine andere Funkverbindung aufgebaut werden kann. Über das Multihop-Verfahren landen die Daten schließlich an einem Gateway, das die Brücke zum angeschlossenen System schlägt, wo die Verbrauchsdaten eingelesen und analysiert werden können. Dabei kann es sich um das Internet, ein W-LAN- oder ein GSM-/GPRS-Netzwerk handeln. Möglich ist auch die Darstellung der Daten auf einem mobilen Endgerät wie einem PDA.

Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig

Denkbar sind zudem hybride Lösungen, dann fungiert das Scatterweb als Rückgrat für die Vernetzung existierender sowohl drahtgebundener als auch drahtloser Installationen. Das einzelne Funkmodul verfügt über eine Reihe sowohl analoger als auch digitaler Input/Output (I/O)-Ports für die Verbindung mit den entsprechenden Steuerelementen. Insgesamt gibt es 30 solcher Ein- und Ausgänge, sodass sich eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Sensoren ankoppeln lässt. Damit schlägt das Scatterweb die Brücke zwischen der reinen Datenerhebung und dem aktiven Gebäudemanagement: Die angeschlossenen Steuerungselemente können den Strom- oder Wasserverbrauch exakt dem tatsächlichen Bedarf anpassen und entsprechend regulieren. Stellt beispielsweise ein Sensor fest, dass die Heizung im Badezimmer einer Wohnung auf vollen Touren läuft, obwohl dieser Raum üblicherweise nur sehr wenig genutzt wird, ergeht per Funk nach der entsprechenden Datenaufzeichnung automatisch der Befehl an das Steuerungselement, die Heizung niedriger zu stellen oder ganz auszumachen. Auf der Basis der transparenten Datenerfassung lassen sich auch noch andere Handlungsempfehlungen generieren: Das System könnte schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt darauf hinweisen, dass eine bestimmte Anlage oder ein bestimmtes Gerät veraltet ist und daher zuviel Energie verbraucht – oder dass der Stromanbieter gewechselt werden sollte, weil er zu hohe Preise verlangt. Ein weiteres Einsatzfeld ist die Kombination des Funknetzes mit Brandmeldern. Der Ausbruch eines Feuers kann im beschriebenen Multihop-Verfahren sehr schnell in jeden Winkel des Wohngebäudes gemeldet und dementsprechend auch sofort der Alarm ausgelöst werden. Schließlich würde auch der Mieter im fünften Stockwerk gerne umgehend über den Unglücksfall informiert werden, auch wenn sich der Brandherd nicht in seiner unmittelbaren Nähe befindet. Neben den Bereichen Energieeffizienz und Brandschutz lässt sich das Funknetz in Gebäuden für weitere Aufgaben im Bereich Sicherheit und Komfort verwenden – so etwa zur Überwachung von Bewegungsmeldern oder die Steuerung von Licht oder Jalousien.

Von den Vorteilen profitieren viele

Wie gesehen, können von der Nutzung des Scatterweb einzelne Verbraucher profitieren, indem sie ihren Energieverbrauch und die Kosten für Energie durch funkgesteuerte Haustechnik nennenswert senken. Aber auch Systemanbieter für Verbrauchmessungssysteme und die Hersteller von Technik zur Gebäudeautomatisierung werden schnell die Vorteile des selbstkonfigurierenden Funknetzes erkennen: Aus der Erschließung der nachträglichen Ausrüstung von Bestandsgebäuden ergeben sich neue Umsatzpotenziale und die Integration neuer Komponenten in die Haustechnik eröffnet neue Produktmöglichkeiten. Umsatzpotenzial steckt daneben auch in der Verbrauchsmessung selbst, da der Gesetzgeber schon bald kürzere Ablesezyklen fordern wird. Ganz zu schweigen davon, welche Möglichkeiten sich aus der ‚Aufschaltung‘ weiterer Lösungen auf eine bestehende Funk-Infrastruktur – wie die Sicherheit mit Brandmeldern oder den Einbruchschutz mit Bewegungsmeldern – ergeben.


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