Funktionserhalt-Systeme:
Eine Frage der Zulassungen?

Die Installation von Anlagen zur Erhaltung von Sicherheitsfunktionen ist nicht selten von Irrtümern und Unsicherheiten geprägt. Ob es um mechanische oder um elektrische Anlagen zur Erhaltung von Sicherheitsfunktionen geht – im Installationsalltag stellt sich immer die gleiche Frage, die sich nach der abschließenden Freigabe durch einen Gutachter oder Sachverständigen stellt: Welche Anforderungen müssen erfüllt werden, um eine stabile wie sichere Anlage im Falle eines Brandes zu erhalten?


Sicherheitsbeleuchtungen, Löschwasserversorgung, Aufzüge mit Brandfallsteuerung, Rauchabzugs- oder Brandmeldeanlagen: Die Anforderungen an diese Einrichtungen sind verständlicherweise hoch, die Funktionalität der Systeme über einen vorgeschriebenen Zeitraum im Brandfall ist exakt definiert. Dabei stellen die verschiedenen Montagevarianten für Kabelverlegesysteme der diversen Hersteller und die teils sehr unübersichtlich gehaltenen Zulassungen oftmals ein großes Hindernis für den Installateur dar. Dies führt zu Unsicherheit, zu der auch Fehlinterpretationen des Begriffs ‚Funktionserhalt‘ beitragen. Ein Beispiel: Die Kabelkennzeichnung ‚FE180‘ wird oft als ‚Funktionserhalt für 180min‘ gelesen. Ein Irrtum. Denn dieses Kurzzeichen stellt genau genommen eine Klassifizierung desIsolationserhalts durch Flammeinwirkung gemäß Prüfung nach DIN VDE 0472-814 dar. Nicht unberücksichtigt bleiben darf in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass auch Kabel und Leitungen für den Funktionserhalt brennbar sind und somit einen Teil zur Brandlast beitragen. Erst durch ihren konstruktiven Aufbau und das vollständige Abbrennen der äußeren Ummantelung entfalten sie ihre volle Funktion. Auch die Annahme, dass während des Verbrennens dieser ‚Funktionserhaltkabel‘ kein Rauch entsteht, ist falsch – wenn auch fest steht, dass die Rauchentwicklung und die Entwicklung korrosiver Brandgase durch den Einsatz halogenfreier Materialien im Vergleich zu herkömmlichen PVC-isolierten Kabeln relativ gering ist.

Was bedeutet Funktionserhalt nun wirklich?

‚Kabelanlagen mit integriertem Funktionserhalt‘, wie sie nach DIN 4102 Teil 12 korrekt bezeichnet werden, haben in einer praxisnahen Brandprüfung bewiesen, dass sie der Brandeinwirkung in einem festgelegten Zeitrahmen widerstehen können. Die Kabelanlage setzt sich dabei im Wesentlichen aus dem Verlegesystem sowie den Kabeln und Leitungen mit integriertem Funktionserhalt zusammen. Erst die Kombination dieser Elemente macht die Anlage zu einem echten Funktionserhaltsystem, das seine Standfestigkeit und elektrische Funktion nachgewiesen hat. Als Kurzzeichen findet man hier das E mit dem Zusatz der Zeitdauer in Minuten. Durch die Vielzahl der Brandprüfungen verfügen die Hersteller über entsprechende Erfahrung, so dass daraus die sogenannten ‚Normtragekonstruktionen‘ definiert wurden. Diese Norm-Verlegearten sollen dafür sorgen, dass der Errichter bei der Einhaltung der vorgegebenen Montageparameter alle nach DIN 4102 Teil 12 geprüften und zugelassenen Kabel und Leitungen der verschiedenen Kabelhersteller einsetzen darf. Die Montageparameter schreiben in diesen Fällen Kabelgewichte pro Meter, Abstände der Abhängepunkte und Ausführungsvarianten vor. Zudem werden allgemeine Anforderungen an die Materialstärke der Verlegesysteme und Ähnliches gestellt. Hier geht der Installateur immer auf Nummer sicher, denn es besteht keine Abhängigkeit zu einem bestimmten Kabeltyp oder Hersteller.

Veränderbare Montageparameter

Darüber hinaus bietet sich für das Projektgeschäft die Planung und Ausführung so genannter ‚Kabelspezifischer Tragekonstruktionen‘ an, zu denen neben Kabelrinnen und -leitern auch Sammelhalterungen, Kabelklammern oder Gitterrinnen zählen. In enger Abstimmung zwischen Verlegesystem und Kabeltyp eines bestimmten Herstellers können die Montageparameter verändert werden, so dass zum Beispiel größere Stützabstände und Kabellasten möglich sind. Diese speziellen Verlegearten müssen jedoch einen Nachweis erbringen, der die geprüfte Funktion dieser Kombination aufzeigt. Dies geschieht normalerweise mit dem ‚allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis‘ einer Materialprüfanstalt. Mit diesen Systemen werden die Möglichkeiten für das Projekt und die wirtschaftliche Montage optimal, aber sicher ausgereizt. Um auch langfristig die Funktionalität der oben genannten Systeme zu gewährleisten, müssen allerdings sämtliche vorgeschriebenen Parameter unbedingt eingehalten werden. Ist nach Erstinstallation und Abnahme noch alles in Ordnung, so stellt sich die Situation nach, vielleicht zwei Jahren und zahllosen Nachinstallationen, vollkommen anders dar. Problematisch ist die so genannte Mischbelegung von Kabeltrassen mit Funktionserhalt gemeinsam mit einer ’normalen‘ Installation, z.B. mit NYM-Leitungen. Die Stellungnahmen der Materialprüfanstalten sind zunächst deutlich: Aus brandschutztechnischer Sicht sei diese Mischbelegung unproblematisch, heißt es da. Doch schon im nächsten Satz wird darauf hingewiesen, dass die geforderten Montageparameter der Kabelanlage mit integriertem Funktionserhalt eingehalten werden müssen. Die Vorschriften nach DIN VDE bleiben zunächst außen vor. Wie aber soll gewährleistet sein, dass eine Kabeltrasse, die optisch nicht voll belegt ist – bei der die maximale Kabellast aber bereits erreicht wurde (!) – durch Mischbelegung nicht weiter zur Nachinstallation genutzt wird? Die fünf orangefarbenen Leitungen fallen schließlich unter den 20NYM Leitungen kaum auf.

Gefährliche Mischbelegung

Die Beeinflussung der Kabel im Brandfall untereinander wurde bis heute noch nicht abschließend erforscht. Ein mechanisch auf bsw. 10kg/m Kabellast ausgelegtes Tragesystem wird durch eine Mischbelegung sehr schnell an seine Grenzen stoßen. Deutlich wird dies durch den Vergleich der Tragfähigkeit von Stahl im kalten Zustand und im Brandfall nach 90min: Eine Gewindestange M12 der Güte 5.6 trägt im kalten Zustand eine Last von circa 4200kg. Nach einer Brandbelastung von 90min und Temperaturen von über 1000°C ist die Tragfähigkeit auf circa 50kg gesunken. Das entspricht nur noch einem Bruchteil der ursprünglichen Belastbarkeit. Daher ist die Mischbelegung so gefährlich. Darüber hinaus dürfen brandschutztechnisch klassifizierte Systeme auch nur an entsprechend gleich klassifizierten Bauteilen befestigt werden. Die Beeinflussung durch umgebende Bauteile, Sanitär, Klima etc. ist auszuschließen. Ein Funktionserhalt-System mit E 90 muss daher an einer Wand oder Decke mit einer Feuerwiderstandsdauer von mindestens F 90 befestigt werden. Ist das Bauteil dazu nicht in der Lage, macht eine höherwertige Klasse des Tragesystems keinen Sinn. Man muss einen anderen Weg für die Installation finden. In letzter Zeit tauchen in einigen Prüfzeugnissen auch Verlegearten an Stahlträgern auf. Hier muss darauf hingewiesen werden, dass ungeschützter Stahl keine Feuerwiderstandsdauer aufweist. Eine Durchwärmung auf 500°C hat zur Folge, dass der Stahl 50% seiner Festigkeit einbüßt. Die in den Prüfzeugnissen genannten Befestigungsmöglichkeiten dürfen nur an F 90-klassifizierten Stahlstützen montiert werden. Das heißt: Die Stahlstütze muss in einer geeigneten Form brandschutztechnisch angepasst werden. Wird bei der Installation beispielsweise die F 90-Beschichtung beschädigt, so muss diese anschließend aufwändig nachgearbeitet werden. Stahlträger (horizontale Bauteile) werden in der Praxis häufig mit brennbarem Plattenmaterial verkleidet, so dass hier eine Installation zum Beispiel mit Trägerklammern nur mit großem Aufwand möglich ist. Die Befestigung an Stahl ist also nur mit relativ aufwändigen Nacharbeiten für den Elektroinstallateur zu realisieren.

Fazit

Werden bei der Montage von Kabelanlagen mit integriertem Funktionserhalt nach DIN 4102 Teil 12 alle Parameter wie Stützabstände, Materialstärken usw. eingehalten und die eventuell erforderlichen Nacharbeiten durchgeführt, steht einer Abnahme der Anlage durch den Gutachter oder Sachverständigen nichts im Wege. Kostenintensive und aufwändige Nachbesserungen werden vermieden und die Anlagen stehen zum vereinbarten Zeitpunkt zur Verfügung. Eine exakte Vorplanung der Anlagen ist dafür jedoch unerlässlich.

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