„Transparenz ist die wichtigste Stellschraube“

Martin Hardenfels, Head of Business Development Building bei Wago
Martin Hardenfels, Head of Business Development Building bei WagoBild: WAGO GmbH & Co. KG

Herr Hardenfels, welche Rolle spielt der Gebäudesektor beim Klimaschutz?

Noch immer macht der Gebäudesektor jährlich rund ein Drittel der gesamten CO²-Emissionen in Deutschland aus. Die Relevanz und das Potenzial für Einsparungen sind also da. Zwar konnte der Sektor 2022 die Gesamtjahresemissionen insgesamt zum Vorjahr reduzieren, hat jedoch das im Bundesklimaschutz festgelegte Ziel um 4,6Mio.t CO²-Äquivalent verfehlt. Kommende Pflichten, wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), halten Gebäudebetreiber daher auch verstärkt dazu an, ihren Energieeinsatz zu monitoren und so effizient wie möglich zu gestalten. Das ist am Ende eine Win-Win-Situation für alle, weil sich das gleichzeitig positiv auf die Wirtschaftlichkeit auswirkt. Durch standardisierte Kennzahlen, entwickelt von der EFRAG für das ESG-Reporting, wird außerdem zukünftig Vergleichbarkeit ermöglicht.

Wo sind hier mögliche Stellschrauben, den hohen Emissionen zu begegnen?

Die Vorgaben motivieren dazu, sich selbst eine Übersicht zu beschaffen, z.B. durch ein Energiemanagement. Das ist wichtig, denn Daten sind entscheidend, um abzuwägen, an welchen Stellen Maßnahmen am sinnvollsten sind. Transparenz ist also die erste und wichtigste Stellschraube. Der tatsächliche Energienutzen und historische Vergleich bieten dann die Möglichkeit, sich an die tatsächliche Nutzung anzupassen und Optimierungen vorzunehmen. Wie diese aussehen, hängt maßgeblich von dem Ergebnis der erfassten Daten ab.

Gebäudedaten sind 
fundamental für eine 
vernünftige Bewertung und 
die Entwicklung einer 
passenden Strategie für einen optimalen 
Energieeinsatz.

Martin Hardenfels, Head of Business 
Development Building bei Wago
Gebäudedaten sind fundamental für eine vernünftige Bewertung und die Entwicklung einer passenden Strategie für einen optimalen Energieeinsatz“. – Martin Hardenfels, Head of Business Development Building bei Wago – Bild: WAGO GmbH & Co. KG

Welche Herausforderungen sehen Sie hierbei?

Die korrekte Erfassung und Messung von Gebäudedaten und einzelnen Anlagenteilen sind entscheidend. Ebenso wie die passende Auswertung – etwa durch ein Sankey-Diagramm. Im Bestand muss zuerst erkannt werden, wo die größten Potenziale liegen, um dann zu wissen, wo mit der Sanierung begonnen werden sollte. Dafür brauche ich die aus dem Energiemanagement gewonnen Erkenntnisse. Die neue Gesetzgebung nimmt Betreibern bereits die Entscheidung ab, ob sie ein Energiemanagementsystem einführen sollten. Das sollte als Chance genutzt werden.

Was für eine Rolle spielen die erfassten Gebäudedaten bei der Optimierung?

Gebäudedaten sind fundamental für eine vernünftige Bewertung und die Entwicklung einer passenden Strategie für einen optimalen Energieeinsatz. Sie dienen als Grundlage für die Erfolgsmessung, für die Festlegung von IST- und SOLL-Werten – Stichwort KPIs – sowie als Basis für Dienstleister, falls der Betrieb ausgelagert wird. Denn ohne Daten habe ich zunächst einmal kein Wissen. Ohne Wissen kann ich nicht zielgerichtet optimieren. Erst das Zusammenführen aller Informationen über den Einsatz der Energie sowie der Gebäudeparameter lässt eine vernünftige Bewertung eines Gebäudes und dessen Energieprofil zu.

Welche Daten müssen wir für Optimierungsmaßnahmen erfassen?

Für Optimierungsmaßnahmen sind Daten wie der Energie-Income (z.B. Gas, Strom, Fernwärme), die Energie-Nutzer (Kälteanlagen, Wärmeerzeuger, Maschinen, sonstige Anlagen, aber auch Bereiche in Büros, die diese Energie dann nutzen, etc.) und Nutzungszeiten entscheidend.

Wie können wir dem Digitalisierungsdefizit im Bestand begegnen?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, auch alte Gebäude zu digitalisieren. Zum einen durch eine Auslagerung in die Cloud, sodass der Betrieb nicht lokal digital sein muss. Zum anderen kann Funkkommunikation, z.B. durch LoRaWAN oder EnOcean, in vielen Fällen problemlos nachgerüstet werden, was wiederum eine Nachdigitalisierung eines Gebäudes mit nur geringem Eingriff in die Vor-Ort-Infrastruktur ermöglicht.

Was für einen Beitrag leistet Gebäudeautomation bei der Effizienzsteigerung?

Lösungen für die Gebäudeautomation automatisieren die Energienutzungsstrategie, erheben und verarbeiten Daten und unterstützen in der Raumbedienung. Gleichzeitig ermöglicht die Gebäudeautomation ein recht zuverlässiges Melde- bzw. Störmanagement, was Effizienzeinbußen vorwirken kann. Gebäudeautomationslösungen sind also aus einem energieeffizienten Gebäudebetrieb in aller Regel nicht wegzudenken. Wo liegen die Vorteile auf Endkundenseite?

Endkunden profitieren von Kosteneinsparungen durch Energieeinsparungen, einer Steigerung des Komforts, geringen Störungen und Unterstützung im Betrieb. Eine gute Energiedatenerfassung sorgt außerdem für Transparenz und ermöglicht die Erstellung eines Energiereportings. Auch bei Mietverhältnissen.

Spielt Künstliche Intelligenz eine Rolle in der Analyse und Automatisierung?

Es gibt durchaus einige Ansätze, wie KI im Gebäude eingesetzt werden kann. Insbesondere, um große Datenmengen handhabbar zu machen. So kann künstliche Intelligenz bei der Erkennung von Anomalien und der Früherkennung (Predictive Maintenance) unterstützen. Aber im Alltäglichen sehen wir, dass Gebäude so vielfältig sind, dass das Erlernen von Profilen erschwert ist. Damit bleibt KI im Gebäude vorerst ein Ansatz.

Wie nehmen Sie als Wago Ihre Kunden bei der Umsetzung an die Hand?

Wir unterstützen unsere Kunden bei der Datenerfassung in Form eines gezielt für den Gebäudebereich entwickelten Energiemanagements, bei einer transparenten und übersichtlichen Darstellung von Energien, bei dem Aufbau von Teilen des (ESG-)Reportings und mit einem breiten und skalierbaren Portfolio für die Mess- und Steuerungstechnik. Darüber hinaus stehen wir dem Kunden bei Fragen mit einer ausführlichen Beratung und gemeinsamen Lösungsfindung zur Seite.

Ausblick 2030
Im Vergleich zu heute wird es 2030 normal und vollkommen selbstverständlich sein, umfangreich Gebäudedaten zu erfassen, um so möglichst viele Informationen zu einem Gebäude zu sammeln. Diese Daten werden fortlaufend analysiert und genutzt, um den Betrieb durchgehend zu optimieren. Gleichzeitig werden wir noch bewusster mit unserem Energieeinsatz umgehen, was die dauerhafte Erhebung und Verarbeitung dieser Daten unerlässlich macht.

Ich bin überzeugt, dass wir die Technik in Gebäuden dann ebenso selbstverständlich einsetzen, wie bereits in vielen anderen Lebensbereichen heute. Sie wird – vor allem in Nichtwohngebäuden – ohne Diskussion dazugehören. Damit wird auch die Gebäudeautomation, die sich bis dahin zweifelsfrei noch weiterentwickeln und verbessern wird, ein fester und wesentlicher Bestandteil fast aller Gebäude sein.

  • Gute Luft mit smarter HLK-Steuerungstechnik

    Bei der Regelung von Heizung, Lüftung und Klima geht es darum, die Temperatur, Luftqualität und Feuchtigkeit auf komfortable und effiziente Weise aufeinander…


  • Wachstum in Funktion und Design

    Im Mittelpunkt des diesjährigen Auftrittes von Gira auf der Light + Building standen neben einer neuen Schaltergeneration vor allem die Weiterentwicklung des…