Dena-Leitstudie zur Klimaneutralität

Zentrale Forderungen des ZVEH bestätigt

In puncto Energiewende darf keine Zeit mehr verloren werden. Das ist der Tenor der Studie ‚Aufbruch Klimaneutralität‘, die die Deutsche Energie-Agentur (Dena) in Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten und Wirtschaftsvertretern – auf Verbandsseite war auch der ZVEH eingebunden – erarbeitet hat. Die Leitstudie enthält viele Kernforderungen des ZVEH, so etwa die nach einem Ausbau der Sonnenenergie oder einer stärkeren Berücksichtigung von Gebäuden als Stellschraube für die Erreichung der Klimaziele. Während die Sondierungsgespräche von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP in Berlin in die nächste Runde gehen, legten die Autoren Anfang Oktober mit ihrer Studie bereits konkrete Handlungsempfehlung für die neue Regierung vor.

Gebäude können wichtigen Beitrag leisten

An der Studie hatten neun Forschungsinstitute sowie rund 70 Projektpartner aus verschiedenen Wirtschaftsbranchen – darunter Vertreter aus der Energieversorgung, aus Industrie, Wohnungswirtschaft Automobilbranche und Handwerk – mitgewirkt. Der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) war ebenfalls beteiligt. Tenor der mehr als 300 Seiten starken Studie: Um die Energiewende erfolgreich umzusetzen und Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen, bedarf es einer gesamtgesellschaftlichen Kraftanstrengung. Das Dena-Papier identifiziert dazu insgesamt 84 Aufgaben, die es anzugehen gilt. Unter ihnen sind wichtige Eckpunkte wie der Ausbau von Elektromobilität und Photovoltaik und damit zwei Bereiche, in denen auch die elektrohandwerkliche Organisation seit Langem mehr Engagement und Tempo fordert. Indem das Papier sich dafür ausspricht, Gebäude stärker als Energieerzeuger zu begreifen, die einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele zu leisten imstande sind, bekräftigt es zudem eine weitere Position der E-Handwerke.

Stromanwendungen gewinnen an Bedeutung

Mit fortschreitender Dekarbonisierung gewinnt Strom als Energieträger an Bedeutung. Der Strombedarf wird massiv, und damit erheblich mehr als lange vermutet, zunehmen. 2045, so schätzt die Studie, werden 50% des Endenergiebedarfs über Strom gedeckt werden müssen. Verantwortlich dafür sind nicht zuletzt der vermehrte Einsatz strombasierter Anwendungen – so z.B. Wärmepumpen statt Ölheizungen im Gebäudebereich oder auch der Hochlauf der Elektromobilität. Der Stromverbrauch wird in Folge dieser Entwicklung bis 2045 um fast 50% ansteigen – von 513TWh im Jahr 2018 auf 724TWh im Jahr 2045. Rechnet man die Verluste bei der Erzeugung beim Transport hinzu, ist für das Jahr 2045 mit einem Strombedarf von insgesamt 910TWh zu rechnen.

Ausbau der Ladeinfrastruktur forcieren

Der Hochlauf der Elektromobilität ist ein wichtiger Faktor für den Anstieg des Strombedarfs. So ist laut den Autoren der Studie allein im Verkehrsbereich eine Verzehnfachung des Strombedarfs zu erwarten. Schließlich müssen bis 2030 bereits 9,1Mio. batteriebetriebene Fahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sein, um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen. Bis 2045 müssten es sogar 31,8 Millionen sein. Mit dem starken Anstieg geht ein steigender Bedarf an Ladeinfrastruktur einher. Deren Aufbau müsse hierzulande wie auch in der gesamten Europäischen Union forciert werden, so eine Forderung der Studie. Auch der ZVEH hatte immer wieder an die Adresse der Politik appelliert, insbesondere für den Ausbau der privaten Ladeinfrastruktur mehr Anreize zu setzen, um den Hochlauf der E-Mobilität zu unterstützen.

PV-Zubau weit hinter Zielen

Decken lässt sich dieser Bedarf nur, wenn die Stromerzeugung aus Sonnenenergie deutlich ausgebaut wird. Notwendig dazu ist nach Ansicht der Studie annähernd eine Versechsfachung der PV-Leistung. Diese lag im Jahr 2018 bei 45GW und wird bis 2045 auf 259GW steigen müssen. Das setzt einen jährlichen Zubau von mindestens 8GW voraus. Bislang wird diese Zielgröße, wie viele andere Etappenziele, verfehlt. 2020 wurde z.B. nur eine PV-Leistung von 4,8GW zugebaut. Der ZVEH hatte bisherige PV-Zielgrößen der Bundesregierung wiederholt als zu wenig ambitioniert kritisiert und sich u.a. immer wieder für eine generelle Abschaffung der EEG-Umlage auf selbsterzeugten und verbrauchten PV-Strom eingesetzt, um den PV-Zubau attraktiver zu machen. Dass immer mehr Bundesländer mittlerweile eine Photovoltaik-Pflicht (PV) bei Neubauten oder umfassenden Dachsanierungen planen oder einführen, ist nach Ansicht des Verbandes wie auch der Studie immerhin ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Gebäude wichtige Akteure der Energiewende

Die Studie spricht sich zudem dafür aus, den Gebäudebestand beim Klimaschutz stärker in den Blick zu nehmen. Dafür sei es jedoch notwendig, Gebäude nicht nur als Energieverbraucher zu begreifen, sondern ihr Potential für die Energiewende zu erkennen – auch das fordern die E-Handwerke schon seit Langem. Schließlich können PV-Anlagen am Gebäude in Kombination mit einer Sanierung der Gebäudehülle sowie Mieterstrom und Quartiersenergieprojekte dazu beitragen, Gebäude in Energieerzeuger zu verwandeln. Voraussetzung ist, dass solche Maßnahmen stärker angereizt und vorhandene Regulierungen, etwa beim Mieterstrom, zurückgefahren werden.

Smart Buildings für die Energiewende

Darüber hinaus benennt die Studie mit dem Einsatz digitaler Technologien zur Gebäudeautomation ganz explizit einen Baustein, der auch den E-Handwerken besonders am Herzen liegt. Diese fordern mit Nachdruck, das im Gebäudebereich schlummernde Potential zu erkennen und vernetzte Anwendungen und gebäudeeigene Energiemanagementsysteme als wichtigen Beitrag zur Senkung des Energieverbrauchs und damit zum Erreichen der Klimaziele zu verstehen. ‚Aufbruch Klimaneutralität‘ macht sich daher im Sinne der elektrohandwerklichen Organisation auch für einen barrierefreien Zugang des Handwerks zu gebäudebezogenen Energiedaten und damit für dessen Forderung nach Datenökonomie stark. Gemeint ist damit, dass Handwerker – die Zustimmung des Gebäude- oder Wohnungsbesitzers vorausgesetzt – auf im Gebäude generierte Daten zugreifen und diese z.B. zur Systemoptimierung und für neue digitale Dienstleistungen nutzen können.

Berufliche Bildung stärken und attraktiver machen

Die beschriebenen Herausforderungen sind allerdings nur, auch das macht die Handlungsempfehlung der Dena für die neue Bundesregierung deutlich, mit genug und ausreichend qualifiziertem Fachpersonal zu bewältigen. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des durch die Energiewende kontinuierlich zunehmenden Fachkräftebedarfs – eine steigende Sanierungsrate, erhöhte Neubauaktivitäten sowie neue Dienstleistungen und Geschäftsfelder im Energiebereich sorgen für eine zusätzliche Nachfrage nach Fachkräften – stellt jedoch die Nachwuchsentwicklung bereits eine eigene Herausforderung dar. Wie schon der ZVEH in seiner Agenda zur Bundestagswahl 2021 ‚Digital. Nachhaltig. Ökonomisch.‘ setzen sich daher auch die Autoren des Dena-Papiers für eine Gleichstellung von beruflicher und akademischer Bildung, eine Stärkung der dualen Ausbildung sowie für hohe Qualifizierungsstandards ein. „Die Elektrohandwerke können und wollen mit ihrem Know-how einen wichtig Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende leisten. Aber um die gesteckten Ziele noch erreichen zu können, braucht es mehr Mut und mehr Tempo. Wenn wir jetzt nicht endlich loslegen, läuft uns die Zeit davon“, appelliert ZVEH-Präsident Lothar Hellmann an die Politik: „Wir freuen uns daher, dass eine renommierte Institution wie die Dena in Zusammenarbeit mit ganz unterschiedlichen Stakeholdern zu demselben Schluss kommt, die Politik in die Pflicht nimmt und in der Studie eine Vielzahl von Handlungsfeldern und Forderungen aufführt, die mit den unsrigen übereinstimmen.“

Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH)

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