Auf den (Funk-)Standard kommt es an

Haus- und Gebäudevernetzung

Auf den (Funk-)Standard kommt es an

Kabel war gestern. Viele Anwender wünschen sich für die Vernetzung von Häusern und Gebäuden Funklösungen. Doch Funkstandard ist nicht gleich Funkstandard. Herkömmliche Insellösungen verkaufen sich immer seltener. Nicht zuletzt deshalb setzen immer mehr Unternehmen auf den offenen Standard DECT ULE – darunter die Deutsche Telekom. Für Anbieter wie Anwender ergeben sich dank des Standards neue Möglichkeiten.

Bereits 2017 verkündete die Deutsche Telekom, dass sie innerhalb weniger Stunden Tausende von Haushalten fürs Smart Home fit gemacht habe. Speedport-Router, die sich bereits im Einsatz beim Kunden befanden, wurden kurzerhand per Software-Update aktualisiert. „Das bedeutet, dass wir über Nacht 170.000 Haushalte in Deutschland mit einer Schaltzentrale für Magenta SmartHome ausgestattet haben“, erklärte Henri Vandré, Leiter Smart Home bei der Telekom Deutschland GmbH, damals. „Und jedes Jahr werden rund 1,2 Millionen weitere smarte Router ausgeliefert.“ Mittlerweile gibt es also Millionen von Telekom-Gateways, über die sich nicht nur Telefon, Internet und TV kontrollieren lassen, sondern auch Geräte zur Haus- und Gebäudesteuerung. Hinzu kommen Millionen von Fritz!-Produkten. Wie der Speedport Smart unterstützen auch Fritz!Boxen mit integrierter DECT-Basis den Funkstandard DECT ULE (Ultra-Low Energy). Dieser erlaubt die einfache Vernetzung von Heizkörperthermostaten, Rauchmeldern und zahlreichen anderen smarten Geräten. Nicht zuletzt dank der kostenlosen Updates für bereits vorhandene Geräte ist die Vernetzung per ULE für Anwender kostengünstig, weil u.a. nicht zwangsläufig eine neue Basisstation erforderlich ist.

 (Bild: ULE Alliance)

Bei der Funkdisziplin und damit bei der Zuverlässigkeit unterscheiden sich die Standards deutlich.

ULE ermöglicht herstellerübergreifende Vernetzung

Die neuen Speedports der Telekom entsprechen der offiziellen Zertifizierung der ULE Alliance. Das bedeutet u.a., dass die Plattformen der Telekom für alle Dritthersteller offen sind. Im Sinne des Wettbewerbs hat der Konzern also die Kontrolle darüber, welche Komponenten an die Speedports angebunden werden, aus den Händen geben. Das sind gute Nachrichten für alle Entwickler und Hersteller, die es nun selbst in der Hand haben, kompatible Lösungen und Geräte zu entwickeln und anzubieten. Durch eine Mitgliedschaft in der ULE Alliance und mit zertifizierten Produkten können sie selbst bestimmen, welche kompatiblen Produkte sie anbieten wollen. Und es sind auch gute Nachrichten für alle Endanwender. Denn die sind nicht länger auf Insellösungen angewiesen, sondern können sich unabhängig vom Anbieter genau die Komponenten besorgen, die sie für ihre individuellen Bedürfnisse benötigen. Das erste Unternehmen, das in Deutschland auf ULE-Funk gesetzt hat, war AVM. Allerdings wurden die Produkte bislang noch nicht zertifiziert. Seit der Einführung von Fritz!OS 7 im letzten Jahr wird zumindest das HAN-FUN-Protokoll des ULE-Standards unterstützt. Damit sind aktuelle Fritz!Boxen prinzipiell für Dritthersteller offen. Konkret bedeutet das, dass sich die Router etwa mit den entsprechenden Rauchmeldern, Tür-/Fensterkontakten oder auch Wandtastern der Deutschen Telekom kombinieren lassen, wodurch neue Einsatzszenarien entstehen.

ULE bildet Basis fürs Smart Home in über 80 Prozent der Haushalte

Gemeinsam decken die Router der beiden Hersteller über 80 Prozent der rund 30 Millionen Haushalte mit Internetanschluss in Deutschland ab. Je nachdem, wie die weitere Smart-Home-via-ULE-Strategie der großen Player aussieht, könnte es schon bald soweit sein, dass ein Großteil dieser grob geschätzt 24 Millionen Haushalte demnächst lediglich Geld für Aktoren in die Hand nehmen müssen, um ins Smart Home einzusteigen. Die Einstiegshürde ist also bereits für Millionen von Verbrauchern gesenkt worden. Die Einschränkung auf das Produktportfolio eines Unternehmens fällt mit dem ULE-Funk weg – und in vielen Fällen kann teils die bereits vorhandene Hardware genutzt werden. Andere Unternehmen wie Panasonic bieten ebenfalls bereits ULE-basierte Lösungen an. Hinzu kommt, dass die Gateways nicht nur ULE, sondern weiterhin auch DECT unterstützen.

 (Bild: Statistisches Bundesamt/ ULE Alliance)

(Bild: Statistisches Bundesamt/ ULE Alliance)

Vom Schnurlostelefon zur Smart-Home-Lösung mit Voice Control

 (Bild: Panasonic Deutschland)

Panasonic setzt bei seinen Smart-Home-Lösungen auf ULE. (Bild: Panasonic Deutschland)

Genau genommen ist ULE eine Protokollerweiterung des DECT-Standards. Der ULE-Standard wurde in erster Linie für die Haus- und Gebäudeautomation, Klimakontrolle, Sicherheit und Connected-Living-Anwendungen entwickelt. Es gibt aber auch ULE-Produkte in gewerblichen Anwendungen, wie z.B. die Köderschutzboxen ToxProtect, die den Kontakt zwischen dem Abwasserkreislauf und den hochgiftigen Rattenködern verhindern. ULE wird hier für den Datenaustausch zwischen der Köderbox im Schacht und dem oberirdisch eingesetzten Lesegerät genutzt, was Zeit und Kosten spart – und letztlich auch den Schutz der Mitarbeiter erhöht, da diese nicht in den Kanal absteigen müssen. Der Funkstandard bietet dieselbe Reichweite und Stabilität wie herkömmliches DECT sowie eine nochmals verbesserte, verschlüsselte Übertragung, die neben Sprache auch Videos und Daten umfasst – bei einem deutlich geringeren Stromverbrauch gegenüber DECT. Bei voller Sendeleistung liegt der Verbrauch mit ULE bei maximal 250mW, was vor allem batteriebetriebenen Aktoren und Sensoren wie Rauchmeldern Laufzeiten von mehreren Jahren ermöglicht. ULE soll den alten DECT-Funk in neue Marktsegmente hieven. Das dürfte u.a. auch deshalb gelingen, weil sich ULE aufgrund seiner Entwicklungsgeschichte wie kein anderer Funkstandard dazu eignet, das smarte Gebäude per Stimme zu kontrollieren. Und wie sich spätestens mit Sprachassistenten wie Alexa, Siri oder auch Google Assistant zeigt, gehört Voice Control die Zukunft. Ein großer Vorteil von ULE ist hier, dass der Funkstandard im Gegensatz zu den Lösungen von Amazon & Co. auch offline funktioniert. Registriert z.B. ein ULE-Rauchmelder eine Gefahrenquelle, kann das System potenziell auch ohne Internetverbindung den Anwender nicht nur einfach warnen, sondern gleich den Brandort oder sogar den besten Fluchtweg per Sprachanweisungen kommunizieren. Und weil sich zertifizierte ULE-Produkte unabhängig vom Hersteller miteinander verbinden lassen, müssen die Nutzer dieser Produkte anders als bei Sprachassistenten wie Alexa auch nicht darauf warten, dass sich die unterschiedlichen Hersteller darauf einigen, dass Sensoren oder Aktoren die Sprachbefehle von Aktoren anderer Hersteller entgegennehmen können.

Keine Interferenzen mit anderen Geräten und hohe Sicherheit

ULE-Chip im Größenvergleich Bild: DSPG

Viele Drahtlostechnologien für die Haus- und Gebäudevernetzung nutzen derzeit entweder das 2,4GHz- oder das 868MHz-Frequenzband. Das bedeutet, dass sich solche Funklösungen das Spektrum mit anderen Standards wie Bluetooth und WLAN teilen müssen. Es kommt zu Interferenzen, z.B. mit vorhandenen WLAN-Produkten oder auch Mikrowellen. Da ULE geschützte DECT-Frequenzen im Bereich 1880-1900MHz nutzt, kann es zu keinen Störungen mit anderen Geräten in der Umgebung kommen. DECT und somit ULE zeichnen sich durch ein strenges Funkprotokoll aus. Wann, wie lang und wie viel jeder einzelne Funkteilnehmer auf welchem Kanal senden darf, wird klar geregelt. Nicht zuletzt deshalb lassen sich theoretisch bis zu 2.000 ULE-Sensoren und -Aktoren in ein und demselben Netzwerk über ein Gateway kombinieren. Das Thema Sicherheit wird von vielen Marktbeobachtern als eines der wichtigsten Kriterien für den flächendeckenden Erfolg von Funk-Lösungen für Häuser und Gebäude angesehen. Und das aus gutem Grund: Lässt sich die Überwachungskamera, die Alarmanlage oder sogar der Rollladenantrieb gemeinsam steuern, muss das System sicher sein. ULE nutzt hier den Advanced Encryption Standard (AES) für elektronische Daten, der vom U.S. National Institute of Standards and Technology entwickelt wurde und als sicher gilt. Durch den Einsatz von AES-CCM für die Verschlüsselung und Authentifizierung und dank der Tatsache, dass sich die Verschlüsselung von ULE nicht abschalten lässt, ist das gesamte Netzwerk aus heutiger Sicht bestmöglich geschützt.

ULE Alliance
www.ulealliance.org

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